Zum kleinen Sommerfest hatten Sven und Farina Gramsch nach Jade geladen und konnten mehr als 30 Interessierte Gäste auf ihrem Hof Mühlenhamm begrüßen. Dem vielleicht größten Hof, den wir im Rahmen unserer jahreszeitlichen Treffen besucht haben.
Zahlreiche Höfe, eine eher kleinstrukturierte Landschaft mit Grünland, soweit das Auge blickt und Schwarzbunte Kühe, nichts Ungewöhnliches in einer Region, die ganz Norddeutschland mit Milch und Milchprodukten versorgt. Und doch unterscheidet sich Hof Mühlenhamm in vielerlei Hinsicht vom klassischen Betrieb der Region, denn Sven und Farina setzen auf alte Rassen. So handelt es sich bei den Schwarzbunten hier eben nicht um die allgegenwärtigen Holstein Friesian, sondern um Schwarzbunte Deutsche Niederungsrinder und abgesehen von einigen gewöhnlichen braunen Lohmann-Legehennen, gehören auch beinahe alle anderen Nutztiere des Hofes alten Rassen an. Da wären neben den DSN vor allem die hübschen Lakenfelder Rinder, einigen Angler alter Zuchtrichtung und Rotbunten in Doppelnutzung auch Bentheimer Schweine, Enten, Vorwerkhühner und Ostfriesische Möwen. Die beiden Westerwälder Kuhhunde Anni und ihr Sohn Alfons machen den Hof komplett.
Nach einer kurzen Begrüßung gaben Sven und Farina uns einen ersten Überblick über die Geschichte des Hofes und die Entscheidung, den Betrieb nach der Übernahme durch die Zusammenarbeit mit der BioBoden Genossenschaft auf solide Füße zu stellen und so ein gesundes Wachstum zu ermöglichen.
Der Hof gehört zu den Gründungsmitgliedern der Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof.
2013 von 23 Bioland-Betrieben gegründet, betreibt dieser Zusammenschluss aus aktuell 40 familiengeführten norddeutschen Milchviehbetrieben seit 2015 eine eigene Bioland-Meierei in Mühlenrade, dem Standort des namengebenden Hamfelder Hofes. Sven berichtete von der Philosophie, den Idealen und den selbstauferlegten Standards, die auch den eigenen Hof immer wieder vor Herausforderungen stellen.
Die folgende Fahrt im dafür gemieteten Treckeranhänger machte die landschaftlich einzigartige Umgebung des Hofes, die auch für dessen Wirtschaftsweise prägend ist, erlebbar.
Obwohl der weitaus größte Teil der rund 250ha bewirtschaftete Fläche in unmittelbarer Hofnähe liegt, führte unsere Fahrt uns fast zwei Stunden lang durch die einzigartige Landschaft der Region.
Wir sahen und erfuhren viel. So konnte Nachbarin Ina Martens viel zu ihren Weißköpfigen Fleischschafen erzählen, während wir an einer kleinen Gruppe ihrer Tiere hielten. Angefangen mit der Geschichte dieser Rasse, die eng mit der Region verbunden, mittlerweile aber stark gefährdet ist, ihren Eigenheiten und den Schwierigkeiten beim Hüten der Tiere, die sich durch die hohen Auflagen und die notwendig gewordenen Wolfsschutzmaßnahmen ergeben, bis hin zu ihrer eigenen Zuchtarbeit und einer Studie zum Kupierverzicht, an der sie teilnimmt. Auflagen und Einschränkungen bei der Einzäunung erschweren die Beweidung der Flächen in Wattnähe und die hier im Wolfsgebiet unbedingt notwendigen wolfsabweisenden Netze sind teuer und schwer, die Arbeit beim Umstecken allein kaum zu bewältigen. 2017 verlor sie einen Teil ihrer Herde, als ein Wolf 20 Tiere einer Zuchtgruppe angriff. Drei Tiere riss der Wolf, die übrigen 17 waren derart traumatisiert, dass sie weder fraßen, noch trächtig wurden oder im Falle bestehender Trächtigkeiten verlammten oder die Lämmer nicht annahmen. Am Ende blieb für die verbliebenen Tiere nur der Gang zum Schlachter. Ina Martens konnte ihre Zuchtarbeit dennoch fortsetzen und ihren Bestand wieder auf 50 Tiere erhöhen. Dies ermöglicht ihr, an einer Studie zum Kupierverzicht bei langschwänzigen Schafrassen teilzunehmen. Sie konnte berichten, dass hier bereits einige Ergebnisse vorliegen, die die Richtung auf dem Weg in die Kupierfreiheit vorgeben. So ist zu beobachten, dass zwar schon einige Tiere mit moderat langen und bewollten Schwänzen geboren werden, aber immer noch viele mit überlangen Schwänzen oder Schwänzen mit derart viel Wolle, dass nicht nur unter Umständen der Deckakt erschwert wird, sondern sich durch die dauerhafte Kotanhaftung auch gesundheitliche und hygienische Probleme ergeben.
Auch Ina Martens hält Hunde einer bedrohten Rasse, nämlich zwei Harzer Füchse. Wurfgeschwister, zu denen sie, wie sie sagt nicht so ganz freiwillig gekommen ist. Ein Bekannter hatte innerhalb kurzer Zeit zwei Würfe mit jeweils 9 Welpen und fand für den zweiten Wurf nicht genügend geeignete Käufer. Zwei nahm sie zu sich und sah sich von da an mit der ein oder anderen Schwierigkeit im Umgang mit der eigenwilligen Rasse. Ehrlich und ungeschönt konnte sie berichten, dass sie mit einer Spur Resignation und einer guten Portion Humor die meisten Hürden bewältigen konnte und um einige Erfahrungen reicher nun für sich beschlossen hat, die Zucht der Harzer Füchse anderen zu überlassen.
Weiter gings über Feldwege und durch Moorboden geformte Straßen, vorbei an groß- und kleingliedrigen Grünlandflächen, Jungrindern und Pferdehöfen mit und ohne Land. Etwas bedrückend stimmte Viele die Vorstellung, dass diese Landschaft in absehbarer Zeit durch die A20 geteilt wird. Eine Autobahn, deren Notwendigkeit zu Recht kritisch hinterfragt wird und an deren Weg zahlreiche Höfe liegen. An einigen führte unser Weg vorbei. Höfe, die bereits aufgegeben wurden, weil sie direkt im geplanten Verlauf der Trasse liegen.
Zurück auf dem Hof hatte die Familie in der Zwischenzeit alles für das Mittagessen vorbereitet. Ochsenfetzen aus der Kipppfanne mit Salaten, Dips, Gurken und Röstzwiebeln. Dazu geröstete Brötchen. Fein! Zum Nachtisch Eis aus hofeigener Milch mit Erdbeeren und Sahne, über das sich alle sehr, einer aber ganz besonders gefreut haben dürfte ;0)
Damit war unser kleines Sommerfest aber noch lange nicht zu Ende, denn nun folgten ein Hofrundgang mit jeder Menge weiteren interessanten Daten, Fakten und Anekdoten. Der Hof ist vielseitig aufgestellt. Die Kälber der 120 Milchkühe wachsen ammengebunden auf, wobei auch die Bullenkälber selbst aufgezogen werden. Ein Teil der Milch wird über die Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof vermarktet, ein anderer Teil wird anfangs mobil vor Ort, mittlerweile extern von einem kleinen Betrieb, zu Käse und Eis verarbeitet und anschließend wieder über den eigenen den Hofladen vermarktet. Ebenso unter anderem Eier, Fleisch und Wurstprodukte von Geflügel, Rind und Schwein. 20 vor kurzem hinzugekommene Bienenvölker sorgen für Honig und tragen zur Bestäubung der Obstgehölze und Feldfruchtkulturen bei, zu denen neben Kartoffeln unter anderem der Anbau von Kürbissen auf rund einem Hektar gehört. Der Obstgarten des Hofes ist durch eine eine ganze Reihe, in Zusammenarbeit mit Eckard Brandt ausgewählte alte regionale Apfelsorten ergänzt worden. Die Selbstvermarktung hat immer mehr an Umfang zugenommen und auch insgesamt liegt es im Bestreben der Hofbetreiber, wieder möglichst viele Arbeiten selbst auszuführen. Dazu gehören auch Bereiche, wie die Klauenpflege, für die vorher Dienstleister herangezogen worden sind.
Die Aufgabe der beiden Westerwälder Kuhhunde bestehe nicht nur im Umtreiben der Färsen und dem täglichen Herein- und Herausbringen der Milchkühe, so erzählt Farina auf dem Weg zur Bullenweide. Im Umgang mit den Bullen seien sie ihre Lebensversicherung.
Unter den jungen Bullen seien immer wieder vielversprechenden Vertreter, bei deren Körung stelle vor allem die Milchleistung der bei ihnen deutlich kraftfutterreduziert gehaltenen Nachzucht oftmals ein Handicap dar, berichtet Sven.
Im Laufstall mit angeschlossenem Melkstand auf der gegenüberliegenden Straßenseite standen einige Ammenkühe mit Kälbern. Wir erfuhren nebenbei, dass es mitunter schwierig sein kann, Rinder an einen Laufstall zu gewöhnen, deren Vorfahren schon seit Generationen in Anbindehaltung gehalten worden sind.
Zurück auf dem Hofplatz war schon alles gerichtet. Für Kaffee (mit Milch vom Hof). Und Kuchen (mit Sahne). Und zum Abschluss holten Sven und seine zwei- vierbeinigen Helfer die Milchkühe etwas früher zum Melken. Für uns. Und für’s Foto.
Damit neigte sich unser kleines Sommerfest dem Ende zu. Ein Tag voller Eindrücke, ein gepflegter Hof mit alten Rassen und modernem Geist. Gutes Essen, Geselligkeit in einer Runde gut gelaunter Gleichgesinnter. Sonne, Wind und manchmal Regen. Schön war’s wieder! Warum auch nicht, zwischen den Schauern war’s schließlich trocken!
Der Hof Mühlenhamm hält auch einige Landvergnügen-Stellplätze bereit. Bei Interesse aber unbedingt vorher anrufen, denn nicht immer sind auch die nötigen Kapazitäten frei…