Wintertreffen 2023/24

36 Teilnehmer fanden sich am frühen Sonntagnachmittag auf dem Hofplatz der Schäferei Stücke zum Wintertreffen der Arche Nord-West ein. Und diesmal waren es nicht nur Nordwestler, sondern auch einige Mitstreiter aus der Regionalgruppe Ostwestfalen-Lippe, darunter Freunde und Bekannte von Michael Stücke und Jochen Klinge.
Schäferei Stücke? Moment mal…
Allen bekennenden Land-und-Lecker-Guckern ist dieser Hof natürlich ein Begriff, seit Michael und Jochen in Staffel 22 über den Bildschirm flimmerten. Der Bekanntheitsgrad der Schäferei sei seit der Ausstrahlung enorm gestiegen und immer noch machen sich viele auf den Weg nach Löhne. Einige kommen zu den Öffnungszeiten des Hofladens oder melden sich an, andere dagegen steigen einfach über den Zaun, um einfach mal zu gucken…

Nun, wir waren ganz offiziell angekündigt und wurden daher nicht nur ausgesprochen herzlich begrüßt, sondern auch durch Stall und Betriebsgebäude geführt und erfuhren währenddessen jede Menge Interessantes, Wissenswertes und Unterhaltsames. Gleich zu Beginn fiel die für einen Schafstall eher ungewöhnliche Geräuschkulisse auf, denn viel auffälliger als die typischen Schafgeräusche war das metallene Scheppern der Fressgitter. Anders als in den meisten Schäfereien hier liegt der Betriebsschwerpunkt neben der Landschaftspflege nicht vorrangig in der Fleischproduktion, sondern in der Wollgewinnung und der Weiterverarbeitung zu hochwertigen regionalen Wollprodukten.

Der erste Schritt dabei ist die möglichst hohe Qualität der Rohwolle und die wird maßgeblich durch den Grad der Verschmutzung bestimmt, zu der auch der Anteil von Fremdkörpern wie Heu und Stroh gehört. Bei den meist üblichen Über-Kopf-Raufen werfen die Schafe das Raufutter oft nach hinten über den Rücken. So landet viel Heu in der Wolle, das sich später nur mühsam entfernen lässt. Durch die Fressgitter und das Aufnehmen des Futters vom Boden lässt sich dieser Faktor gut steuern und die Tiere nehmen zudem beim Fressen eine natürlichere und physiologisch bessere Haltung ein. Ein Nachteil bei der Verwendung dieser Art von Fressgittern ist das Scheuern der Metallstangen am Hals der Tiere. In der Regel stellt das abgescheuerte Fell im Halsbereich aber nur ein optisches Problem dar und nur hin und wieder kommt es zu oberflächlichen Hautverletzungen. Die hier genutzten Elemente stammen vom holländischen Stalleinrichter Veno (www.venostal.nl)

In der Schäferei Stücke werden ca. 300 Mutterschafe der Rassen Bentheimer Landschafe, Zwartbles und Graue Gehörnte Heidschnucken gehalten, also ausschließlich alte, robuste Rassen, die sich -jede auf ihre Weise- zur Wollgewinnung eignen Etwa 150 Tiere, darunter die Heidschnucken, befanden sich zur Zeit unseres Besuches noch auf den Weiden, die übrigen konnten wir bei unserem Rundgang durch den Stall begutachten. Der ehemalige Schweinestall mit Spaltenboden wurde von Michael und Jochen mit viel Eigenleistung ihren Vorstellungen entsprechend umgebaut und präsentiert sich jetzt offen, tiergerecht und luftig.

Auf dem Hof der Schäferei Stücke wird aber nicht nur qualitativ hochwertige regionale Wolle erzeugt, hier werden auch alle Produktionsschritte bis zum verarbeitungsfertigen Vlies vereint.Wie das alles mit der Zeit entstanden und gewachsen ist, welche Zufälle und Begegnungen dabei eine Rolle gespielt haben und wie eine schwere Geburt am Ende nicht nur gesunden Nachwuchs, sondern auch eine Schafwoll-Waschmaschine beschert hat, erfuhren wir auf dem Weg durch die Nebengebäude.

Aufgewachsen mit Kühen und Schweinen auf dem elterlichen Nebenerwerbsbetrieb, war Michael nicht ganz unbewandert, als er eines Tages als Entlohnung für das Pflügen eines Stückes Land statt schnöden Geldes drei Schafe bekam. Damals beruflich noch in einer gänzlich anderen Richtung mit chemischen und technischen Zusammenhängen beschäftigt, ahnte wohl keiner, dass diese drei Rasenmäher die Weichen für den kommenden Lebensabschnitt gründlich umgestellt hatten. Aus den drei Schafen wurden mehr und weitere Zufälle folgten. Schicksal? Vielleicht. Sicher aber ein Beweis dafür, dass das meiste im Leben einen Sinn hat, auch, wenn er sich uns nicht immer gleich erschließt.

Es war eine kalte und schneereiche Nacht, in der ein weiterer Zufall zu einem Meilenstein in der Geschichte der Schäferei werden sollte. Ein Schafhalter und seine Frau bangten um das Leben eines Mutterschafes, das seit Stunden mit einer Schwergeburt zu kämpfen hatte. Die Tierärztin saß wegen der schlechten Witterung im entfernten Kalletal fest und so baten sie Michael um Rat. Der fragte nicht lang, packte das Nötigste ein, machte sich auf den Weg und konnte die ins Stocken geratene Geburt zu einem glücklichen Ende bringen. Eine Entlohnung lehnte er ab, einen Kaffee nahm er aber an. Man sprach über dies und das, Schafe, ihre Wolle und die Tücken beim Waschen eben dieser. Und so fügte sich eins zum anderen, denn der Schafhalter verstand viel von Waschmaschinen für die industrielle Nutzung und zusammen mit Michaels chemisch-technischem Wissen aus einem anderen Leben entstand eine Waschmaschine, mit der sich die Schafwolle künftig genau nach Michaels Vorstellungen waschen ließ.

Wolf und Kardiermaschine erinnerten einige von uns an unseren Besuch im Tuchmachermuseum in Bramsche. Auch hier tun die alten Maschinen zuverlässig ihren Dienst. Vorausgesetzt, der Riemen reißt nicht…. Für die Aufbereitung von Rohwolle nimmt die Schäferei je nach Kapazität auch externe Aufträge an, wobei die Anfragen nicht nur aus der Region kommen. Zurzeit wird eine umfangreiche Woll-Lieferung aus der Schweiz bearbeitet. Aus der eigenen aufbereiteten Rohwolle lassen Michael und Jochen die unterschiedlichsten Produkte fertigen. Aus der Schnuckenwolle entstehen Teppiche, Sitzunterlagen oder Einlegesohlen, die feinere Schafwolle wird auch zu Kleidung verarbeitet. Die braune Wolle der Zwartbles bereichert die Farbpalette. Die Produkte werden auf Märkten in der Region und im eigenen Hofladen angeboten, wobei das Sortiment ausgewählte Stücke ergänzt wird.

Als wäre das nicht genug, steht nun die Erweiterung des Hofladens an. Dieser ist derzeit in der Diele untergebracht, in der sich sonst die Besuchergruppen zu Kaffee und Kuchen einfinden. Für uns waren die Tische daher im zukünftigen Hofladen gedeckt, dessen Dimensionen schon gut erkennbar sind. Heißer Kaffee und mehrere Teesorten, verschiedene von Michael und Jochen selbstgebackene Kuchen, Tische mit „echten“ Tischdecken (und echten Blumen) und dazu eine von Michael kommentierte und mit weiteren Anekdoten gespickte Präsentation, so herzlich, wie er begonnen hatte, klang der Besuch in der Schäferei Stücke aus.

Nicht jeder, der im Fernsehen gut rüberkommt, ist im wahren Leben auch so nett, aber hier hat Land und Lecker nicht zu viel versprochen. Herzlich, sympathisch, authentisch so flimmern sie über den Bildschirm und so haben wir sie erlebt. Die Tiere, die Produkte, die hier entstehen, der Erhalt alter Rassen und alten Kulturguts, der Schutz und die Pflege der sie umgebenden Landschaft, das ist ihnen wichtig. Sie legen Wert auf ein gutes und freundschaftliches Miteinander mit der Natur und den Menschen, mit denen sie zu tun haben und möchten anderen diese Werte nahebringen.

Wir haben uns sehr willkommen gefühlt und wenn ihr jetzt auch Lust bekommen habt, die Schäferei Stücke zu besuchen, dann macht euch auf den Weg! Aber bitte: Klettert nicht einfach über den Zaun! Meldet euch an, kommt zu den Öffnungszeiten, besucht das Schafschurfest, die Adventausstellung oder demnächst die Eröffnung des neuen Hofladens. Termine und Kontaktdaten findet ihr im Internet.

Und falls ihr Staffel 22 noch nicht gesehen habt: In der ARD-Mediathek sind alle Folgen verfügbar.

Daniela Lau für die Arche Nord-West

Klicken Sie hier, um zur Galerie zu gelangen.