Der Einladung des Vorbereitungskreises zum diesjährigen Frühlingstreffen folgend führte unser Weg uns diesmal nach Bramsche im Osnabrücker Land, wo wir uns am frühen Nachmittag im Foyer des Tuchmacher-Museums einfanden. Kaffee, Kuchen und Geselligkeit sind ja bei unseren Treffen nie der einzige Grund für die vielen Anmeldungen und auch diesmal war dem Vorbereitungskreis etwas Feines eingefallen, so dass sich 32 Interessierte aufgemacht hatten, um etwas über die Tuchmacherei zu erfahren, die eng mit der Stadtgeschichte verknüpft ist und Bramsche einst weit über die Grenzen des Osnabrücker Landes berühmt gemacht hat.
Silke Grade und Ute Hartwig-Grun vom Museumsteam übernahmen nach einer kurzen Begrüßung durch Lars Degen das Wort und ließen uns beim Gang durch die Museumsgebäude in den folgenden 90 Minuten auf eine ausgesprochen kundige, kurzweilige, lebendige, interessante, anschauliche und informative Art die Entwicklung der Tuchmacherei vom Handwerk der Antike und des Mittelalters über die Anfänge bis zur nahezu vollständigen Mechanisierung bis in die Mitte des 20.Jahrhunderts erleben.
Der Reihe nach.
Zunächst versorgte Frau Hartwig-Grun uns mit einigen Daten und Fakten über die Entwicklung der Tuchmacherei, der Organisation der einzelnen Handwerker in der Tuchmachergilde, der Entstehung und Geschichte der einzelnen Gebäude und der heutigen Nutzung, die weit über das Ausstellen von Artefakten hinausgeht. Nach den pandemiebedingten Einschränkungen präsentieren sich die Räume und Gebäude mittlerweile umso mehr als zeitgemäßes Museum und Lernort mit unterschiedlichen, themenbezogenen Angeboten. Darüber hinaus bietet es aber auch einen charaktervollen Rahmen für kulturelle Angebote unterschiedlichster Art. So finden regelmäßig Konzerte und wechselnde Ausstellungen statt und in einem der Räume können heiratswillige sich in historischem Ambiente trauen lassen. Thementage und Veranstaltungen runden das Angebot rund ums Jahr ab.
Im Anschluss an diese Einstimmung teilten wir uns in zwei Gruppen und tauchten in die Geschichte der Bramscher Tuchmacher ein.
In einem der oberen Stockwerke zeugen archäologische Funde wie ein in mühevoller Puzzlearbeit aus einem Grab im Moor bei Hunteburg geborgener Prachtmantel davon, seit wie vielen Jahrhunderten bereits Stoffe für Kleidungsstücke aus versponnenen und verwobenen Fasern hergestellte werden. Der Mantel diente als überaus wertvolle Grabbeigabe für zwei verstorbene und Männer, deren durch das Moor konservierte Körper ebenfalls zu sehen sind. Mit der originalgetreuen Rekonstruktion des aufwändig gestalteten Stückes waren zwei versierte Weberinnen ein ganzes Jahr lang beschäftigt.
Tongefäße, primitive Spindeln, Steingewichte und mit einfachsten Mitteln konstruierte Webrahmen stehen neben den ersten mechanischen Spinnmaschinen und dokumentieren die Entwicklung der Tuchmacherei von einer jahrhundertealten Kulturtechnik über die Handwerkskunst und die fortschreitende Mechanisierung bis hin zur industriellen Tuchproduktion.
Zahlreiche, oft mehrfach wiederholte, Arbeitsschritte waren nötig, damit aus der Rohwolle feine Tuche wie in Bramsche hergestellt werden konnten. Waschen, Färben, Kämmen und Spinnen gingen dem Weben voraus, dem wiederum das Ausrüsten durch Walken, Rauen, Scheren und Bürsten folgte. Die Nachfrage nach den hochwertigen Bramscher Tuchen stieg mit dem Zuzug des Schönfärbers Wolf aus Thüringen Mitte des 18. Jahrhunderts weiter an und die Bedeutung Bramsches als Tuchmacherstadt nahm zu, bis sie teilweise sogar die der Stadt Osnabrück überstieg.
Schönfärber Wolf stellte aus dem mit dem seit jeher aus der Krappwurzel gewonnenen roten Farbstoff nach seinem eigenen Rezept ein besonderes Scharlachrot her, das als „Bramscher Rot“ bis heute bekannt ist. Zunächst wurden hauptsächlich Frauenröcke aus den Tuchen dieser Farbe gefertigt später mit dem Aufkommen stehender Heere wurde das Bramscher Rot die Farbe der Uniformen der hannoverschen und englischen Soldaten und deren Fertigung wurde zum wichtigsten wirtschaftlichen Standbein. Leider nahm der letzte Schönfärber Bramsches das Rezept mit ins Grab, so dass bis heute über die Originalrezeptur nur spekuliert werden kann.
Als eine der ersten Ersten Entwicklungen der Industriellen Revolution erleichterte der Schnellschütze, der die Schiffchen mit hoher Geschwindigkeit durch die Kettfäden schoss, den Webern die Arbeit. Den Durchbruch aber schaffte erst die 1764 von James Hargreaves entwickelte Spinnmaschine „Spinning Jenny“. Dank diesem Meilenstein der Technikgeschichte war es möglich, einen Weber durch eine einzige Person mit Spinngarn zu versorgen, wo vorher 4-8 Spinner nötig waren. 1856 wurde in Bramsche eine Maschine mit 80 Spulen gebaut. Sie ist die älteste erhaltene und bis heute funktionstüchtige „Spinning Jenny“ und kann hier im Tuchmachermuseum besichtigt werden.
Während diese Maschine noch von Hand betrieben wurde, setzte man bei den Weiterentwicklungen bereits auf Wasserkraft. Andere Maschinen folgten und weitere Arbeitsprozesse konnten mechanisiert werden.
Im Erdgeschoss des Museums stehen die wohl beeindruckendsten Exponate des Museums, die motorisierten Originalmaschinen aus der Zeit der Hochindustrialisierung. Fachkundige Museumstechniker erweckten Wolf, Kardiermaschinen, Selfaktor und Spinnmaschine zum Leben schickten uns auf eine Zeitreise.
Dieses Erlebnis konnte selbst der ohne Zweifel ebenfalls beeindruckende Jaquardwebstuhl toppen, auf dem Museumstechniker Antonio Torres uns die Kunst des automatischen Jaquardwebens demonstrierte. Die Lochkarten, die dem hier gezeigten Webstuhl als Datenträger dienen, können nach wie vor hergestellt werden, so dass die einwandfrei funktionierende Maschine auch zeitgemäße Muster produzieren kann.
Eine feine Auswahl an Wolldecken, vor Ort im Museum auf den Originalmaschinen hergestellt, wird neben Büchern zum Thema und unterschiedlichsten Schaf- und Wollprodukten im Museumsladen angeboten.
Am Ende sind die 90 Minuten wie im Flug vergangen und machen Lust, wiederzukommen.
Bei Kaffee, Kuchen und Austausch konnten wir den Nachmittag im Cafe Riverside in den historischen Räumen der alten Walkmühle ausklingen lassen.
Danke an den Vorbereitungskreis, wir freuen uns auf das nächste Treffen!
Daniela Lau für die Arche Nord West
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