Sommertreffen 2022

Herbsttreffen 2022

25 Interessierte hatten sich am 18.September auf den Weg zum Regionalgruppentreffen gemacht und wurden entgegen aller düsteren Wetterprognosen mit allerfeinster Herbstsonne belohnt.
Der NABU-Woldenhof in Wiegboldsbur, mitten im Herzen Ostfrieslands, war unser Ziel.

Wiegboldsbur gehört zur Gemeinde Südbrookmerland und liegt am Großen Meer etwa 10 Kilometer nordwestlich von Emden.
Die Besiedlung des heutigen Reihendorfes, das sich entlang der Kreisstraße 113 erstreckt, begann aller Wahrscheinlichkeit nach bereits im 7. Jahrhundert. Es gehört damit zu den ältesten Ortschaften Ostfrieslands. Neben dem denkmalgeschützten Woldenhof bietet Wiegboldsbur einige Sehenswürdigkeiten, wie die Backsteinkirche, mit deren Errichtung die Wiegboldsburer im Jahr 1250 begannen und in deren Kirchenmauer sich bis heute das Halseisen eines Prangers finden lässt.
In direkter Nachbarschaft zum Hof befindet sich eine imposante, im Jahr 1812 als dreistöckiger Galerieholländer errichtete Windmühle Wiegboldsbur.

Der Woldenhof selbst wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in der damals in der Gegend üblichen Bauweise als Gulfhof errichtet und seit jeher landwirtschaftlich genutzt. Sein Name lässt sich aus dem Wort Wolde, das in dem plattdeutschen Wort woel (=Sumpfland) wurzelt, herleiten und verweist auf seine zentrale Lage in einer der bedeutsamsten aus ausgedehnten Seen und weitläufigen Hoch- und Niedermoorflächen bestehenden Kulturlandschaft

Nachdem diese Landschaft und die sie umgebenden Vogelschutzgebiete durch den aufkommenden Tourismus massiv bedroht waren, entschloss sich der NABU Mitte der 90er Jahre, den ehemals stattlichen Woldenhof zu sanieren. In den folgenden Jahren entstand so, den strengen Auflagen des Denkmalschutzes folgend, ein Zentrum für Naturschutz, Landschaftspflege und Umweltbildung.

Unterstützt durch das Projekt „Arbeiten und Lernen“, das Jugendlichen ohne Schulabschluss neue Perspektiven ermöglicht, konnten die Sanierungsarbeiten 2002 beendet und mit der Gründung des ersten Schulbauernhofes Niedersachsens abgeschlossen werden.

Dieser Lernort unter der Trägerschaft der gemeinnützigen „Landschaftspflege und Naturerlebnis gGmbH Ostfriesland“ (kurz: LUNO gGmbH) bildet das Herzstück des Hofes und zusammen mit der anerkannten Bio-Landwirtschaft die beiden Standbeine des Betriebes.

Unter dem Leitgedanken, Landwirtschaft in ihrer ursprünglichen Bedeutung erleb- und im besten Wortsinne begreifbar zu machen, sind beide Betriebszweige bewusst miteinander verflochten und Gäste und Besucher sind für die Dauer ihres Aufenthaltes Teil des Hofkreislaufes.
Die Gruppenunterkünfte sind schlicht und gemütlich im ehemaligen Dachspeicher des Hauses und damit in unmittelbarer Nähe zu den Tieren, eingerichtet und werden seit 2014 durch ein Heuhotel ergänzt, das sich direkt unter dem Dach des historischen Gulf befindet und mit dem duftenden Heu der kräuterreichen Naturschutzwiesen gefüllt ist.

Der Alltag auf dem Woldenhof entspricht in vielerlei Hinsicht dem historischen Bild eines Bauernhofes, dessen Vielfalt und die einzigartigen Erlebnisse, die das Leben unter einem Dach und die Nähe zu den Tieren für die Besucher bereit hält, ermöglicht oftmals ganz neue und eindrückliche Erfahrungen. In den Wintermonaten, wenn die sonst für Veranstaltungen und Beisammensein genutzte Gulf wieder zum Schaf- und Ziegenstall wird und auch ein Teil der Rinder wieder in die Ställe auf dem Hof zieht, rücken Mensch und Tier noch näher zusammen.
Der persönliche Umgang mit den Tieren, die Mithilfe im Stall, im Bauerngarten und auf dem Acker schaffen ein tiefes Bewusstsein für natürliche Kreisläufe und Zusammenhänge und fördern gleichzeitig viele soziale und persönliche Kompetenzen. Verantwortungsbewusstsein, Selbstvertrauen und Teamfähigkeit sind nur einige Beispiele. Gleichzeitig wird die Herkunft der Lebensmittel, die auch in der Verpflegung der Beschäftigten und Besucher Verwendung finden erlebbar. Ein Thema, das sich mit dem Projekt „Transparenz von der Ladentheke bis zum Erzeuger“ sowohl in der Umweltbildung, als auch in der allgemeinen Hofphilosophie widerspiegelt.

Die Landwirtschaft, die gleichzeitig also die Grundlage für den Schulbauernhof darstellt, umfasst derzeit rund 280ha Fläche. Beim größten Teil dieser Fläche handelt es sich um Grünland, das entweder beweidet oder zur Futter- und Heugewinnung genutzt wird. Dazu kommen zahlreiche besonders schützenswerte Lebensräume, wie Feuchtwiesen und Moorheideflächen. Der Woldenhof setzt auf diesen Flächen seit einiger Zeit gezielt eine kleine Herde Thüringer Waldziegen ein, die dort das Brachfallen und Verbuschen verhindern. Viele gefährdete Arten wie Bekassine, großer Brachvogel, Kreuzotter, Moorfrosch und Moorlibelle danken dieses gezielte Offenhalten und auch einige hochgradig gefährdete Pflanzenarten sind bereits wieder anzutreffen.

Da sich bedingt durch die strukturelle Ausrichtung keine der Flächen in unmittelbarer Nähe des Woldenhofs befindet, birgt die Bewirtschaftung einige logistische Herausforderungen, bei deren Bewältigung das seit 2008 betriebene intensive Weidemanagement hilft. Dieses umfasst neben Faktoren wie Bestandsdichte und -zusammensetzung auch Aspekte wie Entwässerungssysteme, trockene Versorgungsplätze und die Gewinnung zuverlässiger Vor-Ort-Betreuer, die Flächenkontrolle und Tierwohl sicherstellen.

Verteilt auf vier Beweidungsgebiete in Ostfriesland, die insgesamt eine Fläche von 120ha umfassen, hält der Woldenhof zur Zeit etwa 50 Koniks und 70 Heckrinder in ganzjähriger Weidehaltung, die dort allgemein für den Schutz und Erhalt der regionaltypischen Artenvielfalt sorgen, wichtige Binnensalzstellen mit ihren seltenen Pflanzengemeinschaften sichern und für die für einige Wiesenbrüter dringend nötige Kurzrasigkeit sorgen. Die Aufgabe der Heckrinder, bei denen das Herdenmanagement sich zunehmend schwieriger gestaltet, sollen zukünftig die Deutschen Schwarzbunten Niederungsrinder übernehmen, die ebenfalls zum festen Tierbestand gehören und deren Herde entsprechend vergrößert werden wird.

Während die schwarzbunten und die Ziegen sich etwa ein halbes Jahr auf der Weide befinden und nur die Wintermonate auf dem Woldenhof verbringen, ist das Hofgelände ständige Heimat für die Ostfriesischen Möwen und einige Bentheimer Schweine. Auch wenn der Bestand an bedrohten Rassen zurzeit aus verschiedenen Gründen auf diese wenigen Rassen reduziert ist, leistet der Woldenhof als anerkannter Archehof einen wertvollen Beitrag zum Erhalt unserer alten Rassen und der Präsenz der G-E-H.

Wiebke Seedorff vom Woldenhof hat uns auf kurzweilige Weise die Besonderheiten des Hofes nahegebracht, einen Blick in den im Wandel befindlichen Bauerngarten und auf die Obstwiese ermöglicht, an deren Bestand mit alten Obstgehölzen die Ziegen leider ganze Arbeit geleistet haben (mir als Gärtnerin blutet das Herz…).

Auch das Hoflädchen mit Produkten vom Hof haben wir besucht, das ursprünglich aus der Not der Corona-Einschränkungen erwachsen, nun weiter ausgebaut werden soll.

Bei Kuchen, Kaffee und Tee, der ganz nach ostfriesischer Tradition mit Kluntje und „ ’nem Wulkje Rohm“ diesmal ganz besonders gut ankam, hatten wir wie immer auch Gelegenheit, zu klönen, uns auszutauschen und das nächste Treffen zu planen.

Schön war’s und der ein oder andere soll doch tatsächlich noch an der Würstchenbude des nachbarlichen Hoffestes gesehen worden sein…

Daniela Lau für die Arche Nord-West


















































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